Moderne Autofokus-Systeme von Kameras sind inzwischen nicht nur schnell, sondern auch ziemlich präzise. Doch so schnell der Autofokus auch arbeitet – es gibt immer wieder Situationen in der Portrait-, Sport- oder Tierfotografie in denen man zu viele Fehlfokus-Bilder produziert. Gerade in Verbindung mit geringer Schärfentiefe. Der Autofokus macht dann im entscheidenden Moment Probleme, die du sicherlich kennst:

  • Du fotografierst Menschen und ihre Gesichter oder Augen sind immer wieder unscharf
  • Du setzt die Technik Focus & Recompose ein, musst aber für jedes Foto neu aufs Auge fokussieren
  • Der Fokus Punkt muss ständig verschoben werden
  • Die Kamera nutzt den Augen-Autofokus, verliert aber nach dem Auslösen das Subjekt

Diese Probleme sind auch oft in meinen Portrait-Kursen Diskussionsthema. Die gute Nachricht: Für diese Probleme gibt es eine Lösung, die fast jede Kamera bietet: Der sog. Back Button Focus. Ich selbst habe Jahre gebraucht, um auf diese simple Technik „umzurüsten“, inzwischen möchte ich sie nicht mehr missen – trotz Systemkameras mit Augenautofokus und Fokus Peaking. Was es mit dieser speziellen Fokustechnik auf sich hat und wie du sie an Deiner Kamera einrichten und sie anwenden kannst, erfährst du in diesem Beitrag.

Old School und manchmal sehr fehleranfällig: Statischer vs. kontinuierlicher AF

Bei klassischen digitalen Spiegelkameras wie modernen spiegellosen Systemkameras unterscheidet man bei den Fokus-Modi zwischen dem statischen AF (One Shot bei Canon, AF-S bei allen anderen Marken) und dem kontinuierlichen AF (AI Servo Canon, AF-C Rest). Zunächst schauen wir uns diese Fokus-Methoden an – und ihre Grenzen.

Focus and Recompose bei Porträts im Modus AF-S bzw. One Shot

Jahrelang absolvierte ich meine Porträts mit der sog. Focus and Recompose Technik. Das heißt: Bei jedem Foto ziele ich mit einem einzelnen Fokus-Messfeld auf das Auge des Models, drücke den Auslöser halb durch (Focus), und schwenke anschließend die Kamera, um den gewünschten Bildaufbau zu erzielen (Recompose). Dann drücke ich mit dem Zeigefinger den Auslöser ganz durch und die Kamera löst aus.

Das wiederholt sich dann bei jedem Foto. Fokus-Messfeld auf das Auge, Bildgestaltung, auslösen usw.

Alternativ könnte ich ein Fokus-Messfeld auf das Auge verschieben, fokussieren und auslösen. Den Arbeitsschritt schwenken könnte ich mir damit sparen. Wer eine Spiegelreflexkamera benutzt, weiß allerdings, dass die AF-Messfelder keineswegs über den ganzen Sucherausschnitt verteilt sind, sondern eher im mittleren Bereich konzentriert sind. Somit funktioniert diese Vorgehensweise nur wenn das Auge sich innerhalb dieser „Fokuszone“ befindet.

Autofokus Messfeld auf das Auge verschieben

Kontinuierlicher Autofokus bei Bewegung

Nehmen wir nun an, das Model steht nicht still, sondern bewegt sich auf mich zu. Mit AF-S und Focus & Recompose wird man nicht weit kommen, zumindest wenn man mehr als eine Aufnahme machen möchte. Denn in der Zeit, in der ich den Auslöser halb gedrückt halte, bewegt sich die Person schon wieder aus der gespeicherten Fokusdistanz heraus. Das Foto wird unscharf.

In diesem Szenario kommt der kontinuierliche AF-C/AI-Servo zum Einsatz. Im Gegensatz zum statischen AF-S/One Shot wird hier der Fokus mehrmals pro Sekunde neu berechnet, solange der Auslöser halb durchgedrückt bzw. fokussiert wird. Wenn es mir gelingt, mit dem Fokusfeld auf dem Gesicht des Models zu bleiben und den Auslöser halb gedrückt halte, wird die Schärfe mitgeführt.

Aber Vorsicht: Focus & Recompose kann man in diesem Szenario nicht mehr einsetzen. Der Fokus würde sich beim Schwenken der Kamera, sofort auf den Hintergrund scharf stellen, sobald das Fokusfeld vom Model abweicht. In diesem Fall muss ich also meinen Bildaufbau vorher festlegen und dann das Fokusfeld auf das Model legen.

Einsatz kontinuierlicher autofokus

Die entspannte Fokusmethode mit Back Button Focus

Die beiden beschriebenen Fokus-Szenarien kann man mit dem statischen bzw. dem kontinuierlichen Autofokus ganz gut meistern.

Schwieriger wird aber folgendes Szenario: Das Model steht zwar an einer festgelegten Position, soll aber verschiedene Posen nacheinander einnehmen. Zusätzlich möchte ich durch Veränderung meiner Aufnahmeposition kurz hintereinander verschiedene Perspektiven auf diese Posen realisieren. Das bedeutet: Mal ist nur das Model in Bewegung, mal nur ich als Fotograf oder wir beide bewegen uns.

In diesem Fall ist ein Portraitfoto mit Focus & Recompose sehr schwer zu bewältigen. Aber selbst mit dem kontinuierlichen Autofokus wird es knifflig, denn ich will ja nicht im Serienbildmodus arbeiten, sondern mir gezielt die besten Momente herauspicken. Also drücke ich in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf den Auslöser. Hier beginnt das Problem: Jedes Mal, wenn ich den Auslöser betätige und ein Bild mache, setzt der AF wieder neu an, zu fokussieren, sobald ich den Auslöser das nächste Mal drücke. Ich verliere also erst einmal wieder meinen Fokuspunkt und es vergeht möglicherweise wertvolle Zeit, bis die Kamera wieder den Fokus gefunden hat.

Wie löse ich dieses Problem und erhöhe meine Fokus-Trefferquote?

Statische und bewegte Motive flexibel zu fotografieren, geht am besten mit der Back Button Focus Methode.

Mit dem Back Button Focus ist der Auslöser nicht länger mit zwei Funktionen, Fokussieren + Auslösen belegt. Hier wird das Fokussieren auf eine der hinteren Funktionstasten (Back Button) gelegt und separat mit dem Daumen bedient.

Auf der rechten Rückseite vieler Kameras befinden sich eine oder mehrere sog. Funktionstasten. Diese können mit z.B. AF-On, AE-L, AF-L oder Fn beschriftet sein. AF-ON ist die klassische Taste für Back Button Focus. Alternativ können meistens auch die anderen Tasten mit der Fokus Funktion belegt werden.

Das Auslösen bleibt vorne beim Auslöser. Man muss auch nicht mehr zwischen statischem und kontinuierlichem Autofokus wechseln, sondern bleibt permanent im AF-C / AI SERVO.

AE-L Taste bei Nikon Kameras

Die AE-L/AF-L Taste kann im Kamera-Menü mit der Funktion „Autofokus aktivieren“ (Nikon Bezeichnung) belegt werden. Bei Sony heißt es „AF Ein“.

AF-ON Taste bei Nikon Kameras

Falls Deine Kamera eine AF-ON Taste hat, ist diese meistens schon werksseitig mit der Funktion „Autofokus aktivieren“ belegt. Falls dies nicht der Fall sein sollte, muss das Kamera-Menü bemüht werden.

AF-Funktion am Auslöser deaktivieren

Bei einigen Kameramodellen muss man zusätzlich noch die AF-Funktion am Auslöser deaktivieren. Bei der Sony A7 >> 1. Reiter, Seite 6 von 14: AF b. Auslösung: Aus. Bei Canon in der Custom Steuerung im Untermenü der Funktionstastenbelegung. Hier wird der Auslöser so eingestellt dass nur die Belichtungsmessung gestartet wird wenn man den Auslöser halb durchdrückt. Bei Nikon geht das im Individualfunktionen-Menü im Untermenü „a  Autofokus“:

Nikon Z6 II Schritt 1: Untermenü a6

Nikon Z6 II Schritt 2: Nur AF-ON-Taste

Nikon Auslöser ohne AF-Funktion

Nikon Z6 II Schritt 3: aktivieren. Bei einigen älteren Modellen fehlt Schritt 3

Was macht die Back Button Focus Technik so besonders?

  1. Ich bleibe beim kontinuierlichen Autofokus (AF-C / AI Servo) ganz egal ob ich ein statisches oder sich bewegendes Motiv habe.
  2. Nachdem das AF-Feld oder die AF-Gruppe (Ich benutze mit Nikon-Kameras 3D-Tracking) auf mein Motiv (z.B. Augen beim Portrait) ausgerichtet ist/sind, starte ich den AF mit der Funktionstaste und bleibe mit dem Daumen auf der Taste.
  3. Jetzt kann ich ein ums andere Mal den Auslöser betätigen um ein Foto nach dem anderen zu machen ohne dass die Kamera das Fokussieren dazwischen unterbricht und neu startet. Ich bleibe also permanent an meinem Motiv schärfetechnisch dran.
  4. Sollte ich einmal den Schärfepunkt speichern wollen wie im AF-S / One Shot üblich, muss ich nur die Taste loslassen und der AF hört auf, permanent weiter zu fokussieren.
  5. Nochmals die Funktionstaste drücken und der AF-C startet von neuem.
  6. Selbst der Gesichts-/Augen-AF bei spiegellosen Systemkameras lässt in diese Technik einbinden.
  7. Somit kann ich per Tastendruck zwischen AF-S / One Shot und AF-C / AI Servo hin und her wechseln. Genial!

Fazit

Ich selbst habe recht lange gebraucht um das Funktionsprinzip des Back Button Focus in seinem vollem Umfang zu verstehen. Aber seitdem ich ihn einsetze, ist die Fokus-Trefferquote in meinem Hauptarbeitsbereich Portraitfotografie stark nach oben gegangen. Diese Technik möchte ich nicht mehr missen. Seit Einführung der Gesichts- und Augenerkennung bei den spiegellosen Systemkameras hat sich die Grundproblematik sicher etwas entschärft, aber auch hier hilft die Technik, den Fokus präziser am Gesicht / Auge zu belassen. Denn auch der Augen-AF startet sonst jedes Mal neu nach Auslösen der Kamera.

Die Technik muss ein bisschen geübt werden, aber nach einer Kurzren schwierigen Umstellungsphase ist sie ein absoluter Gewinn – zumindest in meinen Augen.